Individuell, liebenswert, speziell und herzig – das sind die Worte, die mir als Erstes zu meinem Sohn einfallen. Von Anfang an habe ich gespürt, dass die Verbindung zwischen uns etwas ganz Besonderes ist oder vielleicht sogar sein muss. Ich bin in meiner Rolle als einfühlsame Wegbegleiterin unglaublich gewachsen, habe seine Besonderheiten wahrgenommen, ohne sie anfangs einordnen zu können. Die Diagnose erhielt er, als er 13½ Jahre alt war.
Meine Haltung, jeden Menschen so anzunehmen, wie er ist, hat mir geholfen, ihn mit offenen Armen und offenem Herzen in seiner Entwicklung zu begleiten. Mein Sohn zeigt viele der möglichen Auffälligkeiten, die mit dem Klinefelter-Syndrom verbunden sein können und ist dennoch absolut beliebt. Familie, Freunde und Bekannte schätzen ihn sehr, und ich als Mutter bin ohnehin sein größter Fan.
Natürlich gibt es auch Momente, die herausfordernd sind – doch welche Eltern kennen das nicht? Ob mit oder ohne KS. Bei KS-Jungs braucht es manchmal etwas mehr Geduld und Verständnis für ihre Eigenheiten, aber genau das macht sie so liebenswert. Als wir die Diagnose erhielten, kamen plötzlich so viele Fragen auf, dass ich mich zeitweise sehr überfordert fühlte. Ich wollte alles richtig machen, Antworten finden und verstehen, was das nun für ihn und für uns als Familie bedeutet.
In dieser Phase war es ein großes Geschenk zu entdecken, dass wir damit nicht allein sind. Durch den Selbsthilfeverein habe ich Menschen kennengelernt, die ähnliche Wege gehen, ähnliche Fragen stellen, ähnliche Sorgen haben und die dennoch voller Zuversicht bleiben. Dieses Gefühl von Gemeinschaft, Verständnis und gegenseitiger Unterstützung hat mir unglaublich gutgetan und gibt mir bis heute Kraft.
Gerade dieses Gefühl, nicht allein zu sein, ist unbeschreiblich wertvoll. In der Selbsthilfe kann ich mich austauschen, ohne viel erklären zu müssen. Jeder versteht sofort, wovon man spricht, bei allen Unterschieden gibt es so viele Gemeinsamkeiten. Jede Familie, jeder Betroffene bringt seine eigene Geschichte mit, doch die Themen ähneln sich: Sorgen, Fragen, Unsicherheiten, aber auch Erfolge und Mut. Hier ist Raum für all das: ehrlich, offen und wertfrei.
Darüber hinaus ist bereichernd für mich, von den Erfahrungen der anderen zu profitieren. Es ist unglaublich hilfreich zu hören, wie andere Eltern oder Betroffene mit bestimmten Situationen umgehen. Oft bekommt man Denkanstöße, die man so nirgends findet. Und nicht selten staune ich, wie viel Wissen in dieser Gemeinschaft steckt. Leider erlebe ich immer wieder, dass selbst Ärzte manchmal nur wenig über das Klinefelter-Syndrom wissen – und das ist wirklich absurd. Manchmal habe ich das Gefühl, ich wüsste mittlerweile mehr als mancher Arzt. Dieses Wissen verdanke ich zu einem großen Teil dem Austausch in der Selbsthilfegruppe. Ich bin dankbar und stolz, Teil dieser Gemeinschaft zu sein.
Hier darf ich Fragen stellen, zweifeln, lachen, hoffen und bekomme Antworten, Verständnis und Zuversicht zurück. Die Selbsthilfe macht unsere unbunten Zeiten heller und unsere bunten noch strahlender.